Freitag, 18. September 2015

Tanzende Augenbrauen und High Fives – das was man am ehesten als meinen neuen Alltag beschreiben könnte

Keine Schwestern, die im Flur rumtrampeln und lauthals durch das Haus fragen, wo  dieses eine Oberteile oder jener Schal ist während sie sich auf den Weg zur Tür hinaus zur Schule machen, kein Papa, der morgens bevor er selbst zur Arbeit fährt in meinem Zimmer das Licht einschaltet, keine Mama, die fragt, ob ich schon wach sei, kein Freund, der mich über WhatsApp fragt, ob wir uns heute sehen, kein Wecker und trotz allem werde ich wach. Zwischen fünf und sechs Uhr wache ich ohne all diese gewohnten Muntermacher, ohne irgendein Geräusch oder einen Grund auf. Ich wache einfach auf an diesem anderen Ende der Welt und mein Tag beginnt. Duschen, Zähne putzen, ein Blick in den Spiegel, den Laptop schnappen und rüber ins Hauptgebäude meiner Organisation laufen.  Es ist so früh, man sieht und hört eigentlich noch niemanden, die einzige Person, der ich schon „Magandang umaga po!“  sagen kann ist der Nightguard, mit dem ich gefühlte eine Millionen Mal am Tag, bei jedem Rein- und Rausgehen, ein Lächeln und einen Augenbrauenzucker austausche. Ich setze mich in den Korridor, verbinde meinen Laptop mit dem  Wlan und schaue nach, ob meine Familie und Freunde in Deutschland noch wach sind. Wenn es draußen heller geworden ist und auch für die anderen die Zeit des Aufstehens beginnt, bringe ich meine rote Laptoptasche wieder zurück in unser Apartment.



 Auf dem Weg dorthin zurück gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder es regnet so derartig stark auf mich herunter, dass die vorherige Dusche  komplett umsonst war und ich in meinen Flipflops aufpassen muss nicht auszurutschen, wenn ich die drei großen, glitschigen Steintreppen hinaufgehe oder aber es bietet sich mir der schönste Ausblick den man sich vorstellen kann.  An Tagen, an denen letzteres der Fall ist, bleibe ich vor unserer Tür einen Moment stehen und schaue einfach nur über unser Geländer hinweg, an den immer grünen Tropenpflanzen vorbei auf die glitzernde Bucht und die dahinter liegenden, fast immer von Nebel oder kleinen Wolken umgebenen,  Berge. „An dieses Bild werde ich mich nie gewöhnen“ denke ich mir, lächle dankbar und gehe hoch in unser Schlafzimmer um Lara zu wecken.




Unser gemeinsamer Tag beginnt. Wir frühstücken, fahren mit dem Jeepny, fahren mit dem Tricycle, arbeiten meistens 8 Stunden, fahren zurück, Essen zu Abend und lassen den Tag meist zu dritt mit Sebi ausklingen. So sieht es ganz sachlich bei uns aus.
Aber keinen Tag, kein Ereignis hier ist einfach so sachlich zu beschreiben. Wir leben auf der anderen Seite der Welt und das ist in jeglichem Moment zu spüren. Ganz gleichgültig wo es mich hin verschlägt bin ich umgeben von tanzenden Augenbrauen, die in einer Konversation das Bejahen einer Frage ersetzen, der immer währenden Hitze und den besten High Fives auf dem gesamten Globus, die die übliche Begrüßung untereinander im Home for boys sind. Jeder Arbeitstag mit den Kindern lehrt uns neue Worte in Tagalog und neue Erfahrung im Umgang mit den manchmal wirklich schon schwierigen Geschichten unserer kleinen Pimpfe. Alles, was ich hier erlebe ist immer wieder neu für mich und ich bin froh, dass ich das auch noch so empfinde und wahrnehme, dass nichts von all dem hier, selbstverständlich ist.